Unsere alte Kampfkunstschule

07.05.2020

von Annemarie Leippert
1995 begründete Dietmar Stubenbaum zusammen mit Franz Gaschler die Pagode Friedrichshafen in einem von den Franzosen aufgegeben ehemaligen Kasernengebäude. 
Davor hatte er zwischen seine Reisen nach Asien auch in einer anderen Halle in Friedrichshafen unterrichtet, so dass einige meiner Mitschüler heute bereits seit 30 Jahren bei ihm lernen. Ich selbst kam erst 1998 in die Schule.

1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju
1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju

Der ca. 160 qm große Raum lag direkt unter dem Dach. Es gab vier kleine Dachgaupenfenster und ebenso viele und ebenso kleine Heizkörper.

Die Farbe blätterte von der Decke, denn sie hielt dort nicht besonders gut.
Wenn Staubbüschel über den Fußboden rollten, was einen immer an alte Westernfilme erinnerte, wussten wir Schüler, dass es vielleicht doch mal wieder an der Zeit war Besen und Staubwedel in die Hand zu nehmen.

Im Sommer war es dort heiß und im Winter kalt, denn die Heizkörper reichten kaum aus den Raum ernsthaft zu wärmen.

Aber die Atmosphäre in diesen Räumen war erfüllt von positiver warmer Energie, man fühlte sich einfach wohl. 

Der Boden bestand aus alten Steinfliesen auf denen wir gelegentlich nach einer Anwendung auf dem Rücken landeten, oder über den wir quer durch den Raum rollend die Affentechniken übten. Die Mühe Matten auszulegen machten wir uns nur ein einziges Mal.  

1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju
1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju

Die Eingangstür zum Trainingsraum bestand aus Stahl, und hatte eine Delle die wohl eine Gewehrkugel verursacht hatte, als hier noch die Franzosen waren.

Im Raum selbst befand sich ein Regal und ein Schrank voller Bücher und Zeitschriften zu den verschiedensten Kampfkünsten. Wissen über jedwede Kampfkunst aufzusaugen gehört zum Wesen unseres Lehrers und ebenso zu dem seines damaligen Kompagnons Franz.   

1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju
1999 Erster Besuch von Chen Peishan und Chen Peiju

An den Wänden und entlang der Wände waren allerlei Kampfkunstutensilien zu finden, Waffen, Poster mit den Leitbahnen der Traditionellen Chinesischen Medizin, Bilder der Meister, Trainingskleidung etc.. An der Frontseite befand sich so etwas wie eine Altar, und ein massiver alter Schreibtisch. 

Der gegenüber liegende Raum mit den Umkleiden und einer Bartheke war gar nicht beheizt. Zum Feiern einiger legendärer Partys war er allerdings ideal. Auf so mancher Party wurde ab Mitternacht der Drunken Style trainiert, und schließlich auf den Matten übernachtet. Wir verbinden damit schöne Erinnerungen, die neben dem gemeinsamen Training mit dazu beitrugen den Kern von uns bis heute als Gemeinschaft so zusammenzuschweißen, dass er einer Familie gleicht, die allerdings auch heute noch wächst, auch wenn wir dort nicht mehr sein können.   

2003 Halloweenparty

Ich erinnere mich, dass ich mich in der Umkleide zwar umzog aber im Winter meine Straßenkleidung mit in den Trainingsraum nahm, und sie da auf einen der Heizkörper legte, um nach dem Training nicht die kalten klammen Klamotten anziehen zu müssen.

Für Frauen und Männer gab es nur einen gemeinsamen uralten Toilettenraum ein Stockwerk tiefer, und wenn man die Spülung betätigte, hörte man das recht laut durch das ganze Gebäude.

2003 Silvester
2003 Silvester

Trainiert wurde immer, auch an Feiertagen, nur an Weihnachten wurde die Schule für zwei Wochen geschlossen.

2005 wir streichen unseren Trainingsraum
2005 wir streichen unseren Trainingsraum

2005 zum 10jährigen Jubiläum entschlossen wir uns aber dann doch zumindest frische Farbe an die Wände zu bringen, obwohl sie wie gesagt partout nicht an der Decke halten wollte.

Konzert von Johannes Tonio Kreusch
Konzert von Johannes Tonio Kreusch

Das 10jährige Jubiläum war dann auch eines der unvergesslichen Highlights. Meister Chen Peishan war da und unterrichtete uns eine Woche lang. An der Feier führte er die Sizheng Tajiquan Form und die Yilu vor. Johannes Tonio Kreusch, ein Freund unseres Lehrers, gab ein exklusives Konzert für uns.

Wir liebten unsere Schule und das Training in diesem alten Gebäude innig. Noch heute trauern wir der Zeit dort nach, denn 2010 warf uns die Stadt Friedrichshafen hinaus, um das Gebäude zur heutigen Zeppelin University umzubauen. Ziemlich deprimiert räumten wir die Schule aus, und vieles aus der Schule musst leider entsorgt werden.

Es war kein hübscher durchgestylter Raum wie man sie heute überall sieht, es war eine richtige traditionelle Kampfkunstschule. 

Aber es muss immer Vorwärts gehen, das Leben ist Veränderung. Und so trainieren wir heute in einem schönen neuen Raum, den mein Gongfubruder Ralf für uns in die Baupläne für sein neues Firmengebäude integriert hatte.

2017 Training auf der Baustelle
2017 Training auf der Baustelle

Als Anekdote zum Schluss, der Umzug aus einem Fitnessstudio, in dem wir zeitweilig unter gekommen waren, in unseren neuen Raum ging nicht ohne Schwierigkeiten von statten, den der Hersteller der Außentreppe zu unserem Trainingsraum im 1. OG lieferte diese erst mit einem wochenlangen Verzug, so dass wir 2017 erst einmal einige Zeit auf der unfertigen Baustelle im EG trainierten. Aber das war allemal besser als in dem ungeliebten Fitnessstudio.

Und jetzt freuen wir uns die Corona Krise hoffentlich bald hinter uns zu lassen, und ab Juni wieder zu unserem gewohnten Training zurück kehren zu dürfen.