Chen Xiao Jia - Tai Ji Quan an einer saarländischen Schule

17.01.2012

von Thomas Strube
Seit Beginn des Schuljahres 2011/2012 wird am Arnold-Janssen-Gymnasium Chenstil-Xiao-Jia-Tai-Ji-Quan nach Dietmar Stubenbaum sowohl als AG für die Mittelstufe als auch als Unterrichtsfach für die Oberstufe angeboten.

Wie kommt es dazu, dass eine katholische Privatschule Tai-Ji-Quan und speziell den Xiao-Jia des Chenstils anbietet?

  • Seit mehreren Jahren nimmt die Zahl der Jugendlichen, die mit Problemen des Bewegungsapparates in medizinischer Behandlung sind, stetig zu.
  • Sportlehrer an Schulen klagen zunehmend über mangelnde motorische Fähigkeiten in den unteren Klassenstufen.
  • Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an Konzentrationsschwäche bis hin zu Migräne leiden, und daher nur unzureichend dem Unterricht folgen können, wächst stetig.

In einer großen Anzahl medizinischer Studien konnte nachgewiesen werden, dass das regelmäßige Üben von Tai-Ji-Quan sich positiv auf den ganzen Bewegungsapparat und das vegetative Nervensystem auswirkt, Haltungsschäden vorbeugt bzw. mindert, Stresssymptome reduziert und insgesamt eine ausgleichende Wirkung auf Körper und Geist und Seele hat.

Daher wurde im Saarland das Projekt "Tai Chi an saarländischen Schulen" ins Leben gerufen.

Da gesunde Psyche und Physis Grundvoraussetzungen für den schulischen und später auch beruflichen Erfolg der Kinder und Jugendlichen sind, hat unsere Schule sich im Schuljahr 2010/2011 zum ersten Mal als "Pilotschule für Tai Chi Chuan" beworben.

Das Konzept dazu wurde von mir, Mathematik- und Physiklehrer an dieser Schule, zusammen mit der Schulleitung entworfen.

Für die Schüler der Klassenstufe 5 engagierten wir Herrn Ralph Schäfer-Lösch, einen ortsansässigen Tai-Ji-Lehrer, der wöchentlich jede Klasse 1 Stunde in Tai-Ji-Quan unterrichtete. Ich selbst unterrichtete die Klasse 9c, welche freiwillig zusätzlich zu ihrem normalen Stundenangebot noch eine Stunde Tai-Ji-Quan in ihren Stundenplan aufnahm. Weiterhin bot ich für Oberstufenschüler das Seminarfach "Tai-Ji-Quan" an, in welchem die Schüler Tai-Ji-Quan nicht nur von der praktischen Seite kennen lernen, sondern auch etwas über die medizinischen, philosophischen und historischen Hintergründe des Tai-Ji-Quans erfahren sollten.
Für mich stellte sich nun die Frage, welchen Stil und welche Form ich in den Klassen unterrichten sollte. Da ich auf keinerlei Erfahrung im Unterrichten von Tai-Ji-Quan mit Schülern zurückblicken konnte, wählte ich die Form, mit der ich selbst mein Studium des Tai-Ji-Quans begonnen habe: die Pekingform, in China meist einfach 24er Form genannt.
Der Vorteil dieser Form ist, dass alle Bewegungen standardisiert sind und ich so den Schülern auch klare Standards an die Hand geben konnte, an denen sie sich orientieren konnten. Denn im Unterschied zu dem Unterricht in der Unter- und Mittelstufe, wo Tai-Ji-Quan für die Schüler ein Zusatzangebot war, war es für die Oberstufenschüler abiturrelevant und somit musste ich ihre Leistungen auch bewerten.
Gegen Ende des Schuljahres kamen die zukünftigen Oberstufenschüler von sich auf mich zu und fragten, ob ich auch in diesem Schuljahr das Seminarfach "Tai-Ji-Quan" anbieten würde.

Da die Resonanz der teilnehmenden Schüler und auch der betroffenen Eltern durchweg positiv war (siehe z.B. den Bericht von Niklas, Schüler der Klasse 9c: ( https://www.ajg-wnd.de/news.php?id=arUCQqm ) hatte sich unsere Schulleitung entschieden, sich erneut um einen Platz als Modellschule zu bewerben.

Da sich das Unterrichten der Schüler der Klassenstufe 5 durch einen externen Lehrer bewährt hatte, übernahmen wir das Modell auch für das laufende Schuljahr. Ich entschied mich allerdings aufgrund der Erfahrungen während des Schuljahres 2010/11 einen traditionellen Stil anzubieten. Die Lerngruppen, welche ich im vergangenen Jahr in Tai-Ji-Quan unterrichtete, begeisterten sich vor allem für 3 Aspekte des Tai-Ji-Quans:

  • Zu sehen, dass man die "scheinbar so friedlichen" (O-Ton einer Schülerin) Bewegungen zur Selbstverteidigung einsetzen kann.
  • Die Formen in wechselnden Geschwindigkeiten auch mal dynamisch zu üben
  • Die Möglichkeit durch Tai-Ji-Quan und ähnliche Übungsformen innerlich zur Ruhe kommen zu können

Am geeignetsten von den Stilen und Formen, die ich übe, schien mir daher der Chenstil Xiao Jia, den ich seit 2007 bei Dietmar Stubenbaum erlerne und hier insbesondere die von Chen Pei Shan entwickelte "Si Zheng"-Kurzform. So bleibt genügend Zeit um neben dem Ablauf der Form, der für die Zielsetzung des Projektes keine große Relevanz besitzt, insbesondere auf die oben genannten Aspekte eingehen und den Schülern die inneren Prinzipien des Tai-Ji-Quans näher bringen zu können. Das große Interesse vieler Schüler gerade an diesem Aspekt des Tai-Ji-Unterichts war für mich vielleicht die größte Überraschung im vergangenen Schuljahr.

Nach Rücksprache mit Dietmar Stubenbaum startete ich im August mit dem Unterricht im Chenstil Xia Jia und meine bisherigen Erfahrungen bestätigen mir eine gute Wahl getroffen zu haben.
Statt an dieser Stelle meine eigenen Erfahrungen zu schildern, möchte ich Alison Kuhn, Schülerin der Klassenstufe 11 und Teilnehmerin am Seminarfach Tai-Ji-Quan sowie Andreas Becker, Schüler der Klassenstufe 9 und Teilnehmer an der AG Tai-Ji-Quan zu Wort kommen lassen!

Bleibt vielleicht noch die Frage nach dem Nutzen des Tai-Ji-Quan Unterrichts an Schulen.

  • Natürlich kann man nicht erwarten, alle Schüler für Tai-Ji-Quan begeistern zu können. Aber allein die Tatsache, dass ca. 10 Prozent aller teilnehmenden Schüler mir erzählten, dass sie endlich keine oder wesentlich weniger Rückenschmerzen haben seit sie Tai Ji Quan üben.
  • Eltern mir davon berichteten, dass ihr Kind seitdem ruhiger wurde und mit Schulstress besser umgehen kann.
  • Schüler mir voller Freude erzählten, dass das Tai-Ji-Quan-Training ihnen half auch in ihrer eigenen Sportart besser zu werden.

sollte Grund genug sein, dass Tai-Ji-Quan seinen Platz im Unterrichtskanon einer Schule findet.
Einen weiteren Aspekt, der mir erst während des vergangenen Schuljahres klar wurde, möchte ich noch erwähnen: Tai-Ji-Quan bietet auch Schülern, die weder sportlich noch intellektuell mit dem Gros der anderen Schüler mithalten können, Gelegenheit sich in der Klasse ein wenig Respekt zu erarbeiten.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es gemäß meiner Erfahrungen unabdingbar ist, dass die Lehrkraft, welche Tai-Ji.Quan in einer Schulklasse unterrichtet, auch ein gewisses Maß an "Gong Fu" - durch langjähriges, kontinuierliches Üben gewonnene Fertigkeiten - im Tai-Ji-Quan besitzt. Schüler haben ein sehr gutes Gespür dafür, ob ein Lehrer authentisch ist, und gerade bei solch einem exotischen Fach ist Authentizität der Lehrkraft ein entscheidendes Kriterium, ob sie sich von dem Nutzen des Tai-Ji-Quan-Übens überzeugen lassen oder nicht.

TAI CHI - DAS NEUE SEMINARFACH

von Alison Kuhn und Janina Becker

Erdkunde, Sport, Bildende Kunst...Tai Chi?

Sicherlich wurden so manche Augenbrauen hochgezogen, als bekannt wurde, dass das neue Seminarfach des Arnold-Janssen-Gymnasiums Tai Chi sein würde. Doch auch eine konservative katholische Privatschule braucht ab und an frischen Wind, der in diesem Fall als das neue Seminarfach auf uns zu kam.

Die Schüler der Klassenstufe 11 kamen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen in die erste Stunde, welche in der hiesigen Turnhalle stattfinden sollte.

Doch auch wenn manch einer Tai Chi bis zu diesem Zeitpunkt für ein chinesisches Nudelgericht gehalten hatte, verließ fast jeder die Halle mit einem interessierten oder sogar faszinierten Gefühl. Nicht ganz unschuldig daran war unser neuer 'Tai Chi - Meister' Thomas Strube, alias Mathematik - und Physiklehrer Thomas Strube.

Dieser erzählte uns nicht nur von den zahlreichen gesundheitlichen Aspekten des Tai Chi, sondern begann direkt in der ersten Stunde, uns die Praxis näher zu bringen. Wir alle empfanden dies als erfrischende Abwechslung zum tristen Schulalltag und gewannen nicht nur zitternde Knie (durch die Übung "stehende Säule", die uns noch lange danach begleiten würde), sondern auch einen Gesamteindruck unseres neuen Seminarfaches, welches doch tatsächlich geschafft hat, in uns Schülern Interesse zu wecken. Zwar war uns bewusst, dass wir, wie auch in jedem anderen Seminarfach Referate halten, Hausarbeiten schreiben und in diesem Fall zusätzlich noch zu Hause die Übungen praktizieren mussten, doch erschien es uns als weitaus größerer Reiz, mal etwas Neues zu erlernen, als immer wieder mit den gleichen Stoffen konfrontiert zu werden.

Von Stunde zu Stunde lernten wir etwas mehr über "Tai Chi" und auch über uns selbst, da die Übungen die individuellen Schwächen und Stärken unserer Körper aufwiesen, welcher wir uns oft nicht mal bewusst waren. Von Standübungen kamen wir zum "richtigen" Gehen (nicht wie gewohnt bucklig und mit hängenden Schultern, sondern mit geradem Rücken und nach vorne angehobenen Füßen) und gingen von dort aus über zu Armbewegungen und Partnerübungen. Ein Außenstehender würde sich sicher darüber wundern, warum wir die Turnhalle am Ende der Stunde oft verschwitzt oder zitternd verlassen, doch erst beim persönlichen Durchführen der Übungen merkt man, wie viel diese abverlangen; denn das langsame Ausführen ist viel anstrengender als gewöhnlich gedacht wird. Eine weitere neue Erkenntnis, die uns Herr Strube nahe gebracht hat, ist, dass Entspannung oftmals viel effektiver als Anspannung ist und eine bessere Wirkung erzielt. Dies lässt sich nach der Philosophie des Tai Chi nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den Geist übertragen, wie auch das Tai Chi - Symbol Yin und Yang verdeutlicht.

von Andreas Becker (15 Jahre alt)
Als ich zum ersten Mal meinen Lehrer, Herr Strube, das Tai Chi ausüben sah, ging es mir wie vielen anderen Schüler - ich musste schmunzeln. Doch trotzdem erweckte es in mir ein großes Interesse. Zu Beginn war ich doch noch etwas skeptisch, ob dies wirklich einen großen Erfolg mit sich brachte, aber ich wollte diese Kampfkunst einfach verstehen. Außerdem meinte Herr Strube, dass ich durch wöchentliches Training auch meine Leistungen in meiner Hauptsportart Downhill, eine Form des bergab Fahrrad fahren, verbessern kann. Nach einigen Stunden Training konnte ich nun auch schon etwas besser die Kampfkunst verstehen und somit war mein erstes Ziel erreicht. Aber auch meine Konzentration beim Rad fahren wurde gestärkt, was sich bei darauf folgenden Rennen bemerkbar machte. Ebenfalls bereiteten mir die Stunden mit meinem Lehrer und meinen Freunden schon viel Spaß, was zusätzlich verbrachte Stunden in der Schule vergessen macht.

Bericht von von Nikolas Schön unter: https://www.ajg-wnd.de/news.php?id=arUCQqm