Biographie von Altmeister Du Yuze 杜毓澤

12.10.2007

aus den Tradierungslinien von Altmeister Chen Yanxi 陳延熙 (Alter Rahmen) und von Altmeister Chen Mingbiao 陳名標 (Neuer Rahmen) [1] von Wang Jiaxing
Altmeister Du Yuze, Volljährigkeitsname Jimin 濟民, stammte ursprünglich aus der Provinz Henan 河南, Kreis Bo'ai 博愛, und wurde im 23. Jahr der Regierungsdevise Guangzhu 光緒, im Jahr 1897 der ausgehenden Qing- Dynastie, Qingmo 清末, im Jahr des Hahns, Ji 雞, Wandlungsphase Feuer, Huo 火, Himmelstamm/Erdzweigkombination Dingyou 丁酉, im 15. Jahr vor der Chinesischen Republik, am 3. September geboren. Er war Sohn des Du Hanyan 杜諱嚴, Volljährigkeitsname Youmei 友梅, Altersname Yiqi 毅齊, später Altersname Meisou 梅叟, seinerseits geboren im 1. Jahr der Regierungsdevise Guangzhu, im Jahr 1875 der ausgehenden Qing-Dynastie, im Jahr des Schweines, Zhu 豬, Wandlungsphase Holz, Mu 木, Himmelstamm/Erdzweigkombination Yihai 乙亥.

Im 29. Jahr (1898) wurde er auf Kreisebene zur Staatslaufbahn vorgeschlagen, im 30. Jahr (1899) zum Doktor des dritten Grades mit 11. Rang ernannt.

Abb.: Meister Du mit Kunwu Jian 昆吾劍.

Altmeister Du war von Kindheit an klug und intelligent, wuchs unter drei Brüdern auf und erhielt in frühen Jahren Hausunterricht. Er interessierte sich sehr für das chinesische Schrifttum und konnte sehr gut schreiben. Im Jahr 1919 graduierte Meister Du von der Deutsch-Klasse der für Auslandsstudien in den USA und Europa vorbereitenden Schule in Kaifeng 開封, Henan 河南. 1925 schloss Meister Du dann ein Maschinenbaustudium an der Tongji-Universität 同濟大學 in Shanghai 上海 ab, und seine erste Beschäftigung als Ingenieur fand er bei der Firma Shichang Yili 世昌益利 in Tianjin 天津. 1927 wurde er zum Techniker in einer Waffenschmiede der drei östlichen Provinzen (die Mandschurei mit Heilongjiang 黑龍江, Jilin 吉林 und Liaoning 遼寧), wo er sich das Ansehen des Leiters Yang Jiceng 楊繼曾erwarb, so dass Meister Du im Militär eine zwar hektische, aber doch gesicherte und sehr erfolgreiche Karriere verfolgen konnte.

Nachdem die nationalistische Regierung 1949 auf die Insel Taiwan geflohen war (Mao Zedong's Kommunistische Partei hatte den Bürgerkrieg gegen Chiang Kaishek's Guomingdang gewonnen), gelangte auch Meister Du Yuze nach Taiwan, wo er weiterhin in einem staatlichen Rüstungsunternehmen beschäftigt war, 1960 als Rüstungsexperte in die USA geschickt wurde und 1963 sogar kommissarischer Leiter des Werkes wurde, ehe er 1964 dann in Pension ging. In seinen nahezu 40 Berufsjahren war Du Yuze immer verlässlich, zuvorkommend und pflichtbewusst, so dass er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet wurde, die volle Anerkennung von seinen Vorgesetzten erfahren und mit anderen zusammen sogar eine Reihe über deutsche Maschinenbau-Technik ins Chinesische übersetzt hatte.

Als Meister Du 18 Jahre alt war, hatte sein Vater den sehr berühmten Chen-Stil Lehrer Chen Yanxi 陳延熙, einen Vertreter der 16. Generation, in sein Haus ganz in der Nähe des Chen-Dorfes, in den benachbarten Flecken Jinhuazhen 清化鎮, eingeladen, wo dieser seine Söhne im Chen-Stil-Taijiquan unterweisen sollte. Der Meister selbst war ein jüngerer Sohn des Altmeisters Chen Gengyun 陳耕耘 der 15. Generation, seinerseits ein legitimer Sohn des Chen Zhangxing 陳張興.

Die Instruktionen und Anforderungen des Altmeisters Chen Yanxi waren ungemein anstrengend und herausfordernd, er unterwies den alten Rahmen in einer extrem tiefen Grundstellung, von wo aus extrem weite Öffnungen (Kaizhan 開展), aber ebenso starke Verdichtungen (Jinzou 緊奏) erfordert waren. Die Schwerpunkte seiner Instruktionen umfassten die Anleitung der Arme und Hände durch den Rumpf sowie die Integration von Rumpf, Armen, Händen und Vorstellungskraft zu einer Einheit. Beim Formentraining des Taijiquan im Chen-Dorf gab es früher eine die Figuren im Detail besonders betonende (Zhong Zhao Lianfa 重著練法) und eine das ununterbrochen verbundene Ablaufen der Figuren Übungsmethode (Buzhong Zhao Lianfa 不重著練法) [es handelt sich um Training über und in detaillierten Einzelfiguren bzw. Training von Einzelstellungen oder formentunabhängiger Bewegungsabläufe, auch dem Training von Kraft, Gongli 功力]. Die von Chen Yanxi an Du Yuze vermittelte erste Form des alten Rahmens mit 13 Stellungen lag so in etwa gerade zwischen beiden Arten, wo nicht nur die Details der einzelnen Figuren, sondern auch der Ablauf der Figuren intensiv diskutiert und trainiert wurde.

Abb.: Meister Du in der Xiaojia Position "Xie xing ao bu".

Nachdem Du Yuze die erste Form des alten Rahmens mit 13 Stellungen austrainiert und verinnerlicht hatte, erlernte er von Chen Mingbiao 陳名標, einem Neffen aus der 17. Generation von Chen Yanxi, drei Formen des Kleinen Rahmens aus der Schule des Neuen Rahmens. Dieser Stil war von Chen Youben 陳有本, einem Vertreter der 14. Generation aus dem Chen-Dorf gegründet worden, und zwar auf der Basis der Langform (Zhangquan 長拳), des Alten Rahmens, des Kanonenboxens (Paochui 炮捶) und einer ausgiebiger Kampfkunstpraxis über mehrere Jahrzehnte hinweg. Seine Verschmelzung des jeweils für essentiell Erachteten führte zur Ausbildung dieses eigenständigen Stils. 

Altmeister Du Yuze konnte auf Grund dieser Gelegenheiten und ganz besonderen Umstände mehrere Übungsvarianten des Taijiquan erlernen und studieren, was sich ebenfalls auf die wirklich entscheidenden Anwendungsmethoden erstreckte. Auf Grund seiner langen beruflichen Karriere auf dem Festland China und dann hier in Taiwan aber hatte der Meister Du in 20 Jahren nicht einen einzigen Schüler aufgenommen. In Taiwan waren die Praktizierenden des Chen-Stil-Taijiquan nun aber nicht sehr zahlreich, und nur Du Yuze alleine war noch direkt von einem Mitglied der 16. Generation der Chen-Familie über einen längeren Zeitraum hin richtig ausgebildet worden, so dass man sein Wissen wirklich als besonders wertvoll einstufte. 

Nachdem Du dann einige Jahre schon in Taiwan gelebt und gearbeitet hatte, nutzte er die mehr werdende Freizeit konsequent aus, um ohne Unterlass ausschließlich Taijiquan zu trainieren. Er wiederholte und studierte alle ihm vertrauten Formen des Kanonenboxens ins Detail, um so nicht nur seinen Körper und seinen Geist zu üben und zu läutern, sondern auch um einen Landesschatz zu bewahren.

Nach seinem 70. Lebensjahr erst begann Meister Du Yuze öffentlich zu unterweisen, und zwar ganz idealistisch, ohne irgendwelche Studiengebühren zu verlangen. Er unterrichtete alle, die gewillt waren, seine Schulung zu durchlaufen. Diese war seiner Ausbildung nach auch recht vielfältig, obwohl er überwiegend doch eine Lehre der Allgemeinheit vertrat, die er an mehr als 100 Schüler weitergab. Darüber hinaus unterrichtete er eine Lehre an Freunde, an den General Zhu Qiping 朱其平 und an Herrn Zhou Wanfa 周萬發, eine Lehre an Lehrer und Studenten (2 Personen) und eine Lehre vom Meister zum offiziell akzeptierten Adepten. Eine offizielle Aufnahmezeremonie, mit all den chinesischen Riten des Räucherstäbchenentzündens, der Gelöbnisse mit zahlreichen Verbeugungen mit offiziellen Aufzeichnungen haben vier Personen durchlaufen:

Wang Jiaxing 王嘉祥, Tu Zongren 塗宗仁, Li Houcheng 李後成 und Cao Delin 曹德鄰.

Abb.: Du Yuze mit seinen vier wichtigsten Schülern. Von links: Wang Jiaxiang 王嘉祥, Li Houcheng 李後成, Cao Delin 曹德鄰, Tu Zongren 涂宗仁.

Deren Ausbildung unterschied sich schon wesentlich von der der Allgemeinheit, denn zwischen den Adepten und dem Meister herrschte wirklich ein Verhältnis wie zwischen Vater und Söhnen. In den Anfangsjahren seiner Tätigkeit war ein solches Verhalten in Taiwan recht dubios, und diejenigen, die die wirklichen Gegebenheiten verstanden und kannten, die Eingeweihten, waren wirklich nicht viele. Denn das absolute Wissen eines Meistes seiner Generation war früher nun tatsächlich für Überleben und Untergang entscheidend und war niemals leichtfertig weiter gegeben worden. So muss es letztlich dann noch als ganz glücklich angesehen werden, dass in den späten Jahren im Leben des Altmeisters Du Yuze die Tradition fortgesetzt werden konnte. Obwohl nur vier wirklich aufgenommene Indoor-Adepten in sein Lehrsystem voll einweiht worden waren, so blieb es der Nachwelt doch erspart, unter großem Seufzen das Verlorengehen eines solchen Wissen bedauern zu müssen.

Die Tochter von Meister Du Yuze, Du Wan 杜婉, schrieb in einem Aufsatz <Regen und Wind, Erinnerungen an die Eltern>, sich zurück besinnend: "Jeden Tag, noch vor Morgengrauen, an die Chiang Kaishek-Gedächtnis-Halle gehend, hat mein Vater anfangs nur einige Übenden beratend unterwiesen. Weil aber eine Reihe von Übenden wegen Veränderungen ihrer Arbeitsumstände die Übung des Taijiquan auf halbem Wege unterbrechen mussten, so seufzte mein Vater oft und befürchtete ganz ernsthaft, dass dieses wundersame Blüte des großartigen Taijiquan wegen mangelnder Nachfolgerschaft nicht weiter tradiert werden würde und verloren gehen könnte. Glücklicherweise aber konnte mein Vater noch im Herbst seines 79. Lebensjahres Wang Jiaxiang offiziell als Indoor-Schüler aufnehmen, im Winter seines 80. Lebensjahres folgten dann Tu Zongren, Li Houcheng und Ceng Delin nach. Diese vier offiziell akzeptierten und aufgenommenen Adepten wurden in allen Bereichen des Taijiquan unterwiesen, die mein Vater in seinem Taiji-Leben von über 75 Jahren erlernt und studiert hatte. Nach weiteren 14 Jahren dann haben diese Indoor-Schüler ihrerseits bereits offiziell Adepten aufgenommen, die sogar selbst schon unterweisen, so dass vier Generationen von Übenden unter einem Dach praktizieren. Die Faustkampfkunst wird also weiter gepflegt und tradiert, weiter verbreitet und von Generation zu Generation vermittelt. Die Kunst lebt weiter, und man kann sagen, dass es nichts zu bedauern gibt."

Endoten
[1] Es kommt immer wieder zu Unklarheiten bezüglich den Bezeichnungen der einzelnen Stilarten, so auch in diesem Artikel. Im Dajia wird vermutlich seit der Chen Fake (und Chen Zhaokui) Xinjia-These auch immer wieder Chen Zhangxings (und Chen Yanxis) Methode als Laojia (alter Rahmen) bezeichnet, wahrscheinlich, um zwischen der Zeit vor Chen Fake zu differenzieren. Zur Behauptung, dass Chen Youben einen sogenannten neuen Rahmen (Xinjia) kompiliert haben könnte, sind keine relevanten Aufzeichnungen verfügbar, die diese These untermauern könnten. Die Chen Stammhalter und Nachfahren von Chen Youbens Tradierung verneinen die diesbezügliche Xinjia-These eindeutig.

© 2006, Dr. Hermann G. Bohn für cultura martialis

Erstmals erschienen im Wulin Nr.11 (16. Sept. - 15. Dez. 2002), Taiwan.
Übersetzung: Dr. Hermann G. Bohn. Fotos: © W.Jiaxiang, T. Zongren, D.Stubenbaum

Der Orginalartikel ist in Heft 8 des Kampfkunstjournals cultura martials enthalten.