Übungleiterprüfung Tobias Strauß

21.01.2023

Am Samstag den 21.01.2023 absolvierte Tobias Strauß erfolgreich seine Prüfung zum Chen Taijiquan Xiaojia Übungsleiter. Wir gratulieren!

Tobias Strauß und Dietmar Stubenbaum
Tobias Strauß und Dietmar Stubenbaum

Tobias gehört zu den Gründungsmitgliedern unseres überregionalen Vereins der "Gesellschaft zur Erforschung und Praxis des Kleinen Rahmen Chen Clan Taijiquan e. V." 

Wie so viele von uns, hat die Kampfkunst ihn schon als kleinen Jungen fasziniert. Mit einem Lachen meinte er: "Ich habe mit meinen Tieren und Kuscheltieren gekämpft und Wurfsterne an die Wand geworfen, habe Unfug gemacht und bin im Haus herumgesprungen. Aber es gab nichts in der Nähe wo man hätte hingehen können, nur Karate, und das wolle ich nie machen, weil das der Standard war, und der hat mich nie interessiert."

Über einen Kumpel kam er dann mit 16 Jahren zum Taekwondo, und fuhr dann täglich mit Bus und Bahn zum Training, in den Ferien dreimal am Tag. Dies zog er mehrere Jahre so durch, bis er älter wurde und andere Pflichten hinzukamen. Insgesamt hat er 13 Jahre Taekwondo mit unterschiedlichen Verantwortungen im dortigen Verein praktiziert.

Mit 16 Lebensjahr trat er in den Taekwondoverein ein. Er hatte sich immer auch über viele andere Kampfkünste informiert, die Techniken der anderen studiert, die Geschichte recherchiert, also immer über den Tellerrand geschaut. Er meinte dann: "Aber eine Sache hat mich immer ganz besonders interessiert, das war Xingyiquan. Weil es damals meinem Taekwondo Character, den ich für mich entwickelt hatte entsprach, mit seiner Explosivität, und der Idee mit einer Technik die Sache zu beenden. Das war so meine Idee von der Kampfkunst. Und das hat mich immer schon interessiert. Ich habe mir dann DVDs gekauft und Bücher, aber das war ja alles nicht so das wahre, das habe ich schon irgendwie geahnt. Choreographisch konnte man das wohl nachahmen, aber ich hatte gelesen, dass es in den inneren Kampfkünsten wohl mehr gab."

Je mehr sich Tobias Taekwondo Verein dann später aber von seinem koreanischen Großmeister abspaltete, desto mehr beschäftigte er sich mit anderen Kampfkünsten.

Und dann spielte das Schicksal seinen Lauf, als er sich mit einem ebenso begeisterten Kampfkunstkumpel telefonisch austauschte, der wusste wie sehr Tobias sich für Xingyiquan interessiert, das man aber nirgendwo lernen konnte, und dieser zu ihm meinte: " Ey Du, da gibt es einen Xingyiquan Lehrgang bei Dir in der Nähe." Tobias: " Ja? Wo denn, und wann?" Der Kumpel: "Morgen, in Sankt Wendel." Tobias dann: "Ey, ich erzähl Dir dann morgen Abend wie es war." Tobias meinte: "Ich packte meine Sachen, und fuhr am nächsten Tag nach Sankt Wendel. So fing das Ganze an."

Er hat sich das sogar aufgeschrieben, das war am 1./2. März 2014. 

Tobias meinte: "Interessant fand ich, dass wenn mein Kumpel mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, dann hätte ich das voll verpasst. Eines hat zum anderen geführt, mein instabiler Verein, dadurch meine gesteigerte Beschäftigung mit anderen Kampfkunstdingen, mein Kumpel, ein Tag später und ich hätte es voll verpasst. Das Schicksal hat mich quasi zum Dietmar geführt, so sehe ich das heute."

Tobias führte dann weiter aus: "Ich war dann bei diesem Lehrgang, und meinte zu Dietmar, dass ich das gerne weiter machen würde. Es war aber noch gar nicht so sicher ob es einen nächsten Lehrgang geben würde. Ich habe dann zu Dietmar gesagt, dass ich gerne runter zu ihm [an den Bodensee] kommen würde. Ich glaube so richtig geglaubt hat er mir nicht, und mir gesagt ich solle dann eine E-Mail schreiben um einen Termin auszumachen. Die habe ich dann geschrieben und bin dann zum vereinbarten Termin hinuntergefahren.
Die schönste Geschichte war dann folgende. Wir haben uns ein bisschen abseits von Friedrichshafen in einem Waldstück getroffen, und er sagte zu mir: "Zeig doch mal was." Und ich habe gedacht, klar kein Problem. Er fragte nach meiner Disziplin, und ich sagte: "Taekwondo". Und er dann nochmal: "Ja dann zeig doch mal was." Und ich dann voll abgeledert, hochgesprungen, gemacht und getan, dies und jenes und war fertig, habe alles gegeben, und er dann: "Ja o.k., aber Deine Kraft ist schon ziemlich alles von oben". Und ich habe so bei mir gedacht: "Hä, was will der jetzt von mir, was meint er damit?" Ich habe ihn dann gefragt: "Was meinst Du damit?" Und er hat dann geantwortet: "Die Kraft kommt ja nur aus Deinem Oberkörper". Und ich meinte: "Das verstehe ich nicht." Er hat dann geantwortet: "Du kannst vielleicht zuschlagen und treten wie ein Pferd, aber Dir fehlt die Wurzel, und Du benutzt nur deinen Oberkörper, wenn Du Kraft in etwas hineinbringst." Ich dann: "O.k. das verstehe ich nicht ganz".

Er weiter: "Ganz einfach, ich stelle mich jetzt hin und Du drückst mit all deiner Kraft, die du hast um mich wegzuschieben." Und ich habe wirklich Kraft, ich habe mir immer im Taekwondo den größten und stärksten herausgesucht, einen Hünen von Mann, mit dem habe ich immer Kraftmessen gemacht, und mit ihm konnte ich mithalten. 

Ich stellte mich dann vor Dietmar, der sich ganz unscheinbar hinstellte, und ich fing an zu drücken, und drückte mit all meiner Kraft, und sie war weg. Dieser Moment als meine Kraft einfach verschwunden war, so etwas hatte ich vorher noch nie gefühlt, das war das Ding echt, das hatte mich völlig aus dem Leben gehauen, ich glaube mir war die Farbe aus dem Gesicht gewichen, ich musste mich erst mal kurz auf diese Bank setzen, und dachte: "Was war denn das jetzt?" Dann habe ich ihn gefragt: "Kann ich das nochmal machen?" Er so: "Klar, kein Problem." Ich habe mich dann wieder hingestellt, und nochmal mit all meiner Kraft gedrückt, Kraft weg. Da dachte ich: "Das ist verrückt, sowas habe ich noch nie gesehen." Das habe ich ihm dann auch gesagt, dass ich so etwas noch nie gefühlt hatte. Dann sagte er: "Jetzt machen wir es umgekehrt. Du stellst Dich hin und ich drücke." Ich stellte mich dann in meinen stabilsten Taekwondo Stand, und dachte: "O.k. da muss ich jetzt einfach gegenhalten." Er fasste mich unscheinbar an, fühlte meine Verspannung, das erfuhr ich dann natürlich erst später, und warf mich um.

Dann war ich völlig baff. "Leck mich am Arsch" dachte ich "13 Jahre Kampfkunst, höher, schneller als andere, noch härter als andere, alles umsonst." Ich dachte: "Was soll denn das jetzt hier?" Und dann fragte ich: "Wie funktioniert das?" Dann erklärte er mir, dass er durchlässig sei, dass wenn ich meine Kraft rein gäbe, dass sie in den Boden ginge, und gegen den könne ich nicht gewinnen, und ja gut, das leuchtete mir ein, und umgekehrt meinte er: "Wenn du Dich hinstellst, dann spüre ich jede Verspannung in Deinem Körper, und ich drücke Dich einfach dorthin wo sie am größten ist, das ist gar kein Problem. "Und ich dachte mir: " O.k. abgefahren." An dem Tag, sagte ich zu ihm: "Das will ich lernen." Und daraufhin sagte er zu mir: "In Ordnung, dann fangen wir jetzt damit an." Dann haben wir in diesem Wald mit dem Hühnerschritt (Jituibu) angefangen. Er wusste, dass ich wegen Xingyiquan kam, und so fingen wir an dem Tag mit dem Hühnerschritt im Wald an. Und tatsächlich war es so, dass ich nur die erste Stufe lernte, und dazu sagte er mir: "Tausend Schritte am Tag." Was ich dann tatsächlich tat. Bis ich das nächste Mal zu ihm fuhr, oder der nächste Lehrgang in Saarbrücken stattfand. Ja, so hat sie angefangen, diese Reise.

Was mich schon immer an den Kampfkünsten interessiert hat, und was meine Grundintention war, mit der ich leider im Taekwondo alleine war, ist: "Wo kommen diese Dinge her? Wie haben sie funktioniert? Warum nennt man es Kampfkunst, aber alle bedienen sich mit Hebeln aus dem Jiu -Jitsu oder sonst wo her, und geben Selbstverteidigungskurse bei denen man dann doch wieder irgendwelche anderen Sachen macht, statt Taekwondo. Man macht eigentlich alles, außer Taekwondo-Techniken. Und da habe ich mich gefragt: " Wo kommen diese Dinge eigentlich her? Was bedeuten die Bewegungen? Was haben sie für einen Sinn?" Ich war immer schon auf der Suche, über das Karate, über Okinawa über dies und jenes. Mich haben immer die Historie und die Anwendbarkeit der Techniken am meisten interessiert. 

Das hat sich erst im Laufe der Jahre entwickelt. Am Anfang war es eher so, dass desto höher ich sprang, desto mehr ich durch die Luft wirbelte, desto cooler war es. Es hat auch riesigen Spaß gemacht, und es war auch gut, dass meine Energie dorthin floss, anstatt Unruhe in der Schule zu stiften. Aber das hat sich verändert. Je mehr ich mit dieser Materie vertraut wurde, desto mehr interessierte mich: "Wo kommt das her? Wie ist die Historie? Wie war die Entwicklung der Kampfkünste?" Das ist der Aspekt der mich mit am meisten interessiert. Und in Bezug auf Xingyiquan interessierte mich: "Wie kann man explosive Kraft entwickeln? Wie funktioniert das? Welche Konzepte gibt es?" Diese Gedanken trieben mich dann an.  

Nur, dass ich letztendlich extrem verspannt und verhärtet war, weil ich über all die Jahre versucht hatte der Härteste von allen zu sein.

An einem anderen Termin mit Dietmar, an dem Tag regnete es, und wir trainierten in einer Unterführung, lernte ich neben dem Hühnerschritt auch "Yunshou" (Wolkenhände). Dass sollte mir helfen meine Verspannung zu lösen. Das war meine erste Berührung mit dem Taijiquan, und ich übte dann nur diese beiden Dinge.

Dietmar empfahl mir auch das Taijiquan mitzumachen, auch wenn das am Anfang gar nicht so mein Fokus war. Ich ging dann auch tatsächlich auf die Taijiquan Lehrgänge, und so fing es bei mir mit dem Taijiquan an. Und heute ist es so, dass mich beide Disziplinen gleichwertig interessieren.

Wenn ich zurückblicke dann sind es jetzt tatsächlich schon 20 Jahre Kampfkunsterfahrung, und ich bin ja noch jung. So im Rückblick muss ich sagen, war es so, dass diese ganze Romantik mit der man in die Kampfkunst gegangen war, im Taekwondo mit der Zeit verloren ging. Es war die Vorstellung, dass es in der Kampfkunst etwas Besonderes gibt, dass sich in dem Wort Gongfu ausdrückt, und dass wenn man nur gut genug trainiert, dass sich dann besondere Fähigkeiten entwickeln, diese Idee ging im Taekwondo ein bisschen verloren. 

Irgendwann war ich schneller als andere, konnte fünf Bretter durchschlagen statt nur eines, und zerschmetterte Steine oder Sonstiges, aber mir fehlte der Inhalt, die Tiefe, ich fand sie nicht.

Dies trug auch dazu bei, dass ich mich immer auch für andere Dinge interessierte, und das mich auch ein bisschen in Richtung China zog. Und so kam es, dass ich jetzt bei Dietmar lerne.

von Annemarie Leippert